Nach einem langen Gespräch mit einem Teil des Dokumentationsteams von „Türken in Österreich“, in dem ich mit Nachdruck betonte, dass ich keine Stellungnahme zu Klischee-Themen wie ‚Warum tragen muslimische Frauen ein Kopftuch?‚, ‚Wird die muslimische Frau unterdrückt?‚ oder Ähnlichem abgeben werde, habe ich mich dazu entschlossen, einen Beitrag zu dieser Reportage zu leisten. Das Team versicherte mir, dass es keine solch trivialen und bedeutungslosen Fragen geben wird, vielmehr sollen die Probleme der Diskriminierung am Arbeitsmarkt, von denen sichtbare und nicht sichtbare Musliminnen betroffen sind, thematisiert werden.
Es war für mich daher von großer Bedeutung, selbst über diese Problematik zu berichten, um das Bild der unmündigen, fremdbestimmten muslimischen Frau aufzubrechen, welches größtenteils durch Medien transportiert wird. Es ist wichtig, dass wir als muslimische Frauen selbst über unsere Anliegen sprechen. Denn es sollte weniger über uns, sondern mehr mit uns gesprochen werden.
Im Vorhinein bat ich eine zuständige Mitarbeiterin um eine kurze Zusammenfassung der Themen, die behandelt werden sollten. Da muslimische Frauen in Mainstreammedien oft gerne infantilisiert werden, oder so dargestellt werden, als ob sie nicht über ihre Unterdrückung Bescheid wüssten (Stockholmsyndrom) und daher dringend befreit werden müssten, habe ich mich an die ganze Sache verständlicherweise mit einer Portion gesunder Skepsis herangetastet.
Es hat sich herausgestellt, dass die Skepsis nicht ganz unbegründet war. Denn in der E-Mail fand ich folgende Fragen vor: „Wie viele Kopftücher besitzt eine muslimische Frau im Durchschnitt?“ , „Wieso tragen junge Musliminnen denn keine Haube?“ (das verdeckt ja schließlich auch die Haare), „Aus welchen Koranversen leiten Sie ab, dass das Tragen eines Kopftuches eine religiöse Pflicht ist?“. Ich habe den Termin für das Interview mit einer kurzen Erläuterung gleich abgesagt. Daraufhin hat mich die zuständige Mitarbeiterin des Teams angerufen. Ich erklärte ihr wiederholt, dass ich solche Fragen nicht beantworten werde und dass es daher für mich nicht in Frage kommt, an dieser Dokumentation teilzunehmen.
Sie entschuldigte sich und teilte mir mit, dass ein Assistent die Fragen erarbeitet hätte, der sich mit dem Thema nicht sehr gut auseinandergesetzt hatte. Weiters versicherte sie mir, jene Fragen zu streichen, die bei mir Unmut hervorriefen.
Am nächsten Tag folgte das Interview. Ich sprach über Diskriminierung am Arbeitsmarkt, über die steigenden Angriffe auf Musliminnen, über Scheindebatten wie die der Burkadebatte. Darüber wie sich der islamophobe Tenor, der populistische, mediale und politische Diskurs auf das alltägliche Leben sichtbarer Musliminnen auswirkt. Ich beklagte auch, dass die elitären weißen Feministinnen sich weitgehend nicht solidarisch mit muslimischen Frauen zeigen und sie lieber aus ihrer vermeintlichen Unterdrückung befreien möchten. Immer wieder wurde versucht das Thema auf Erdogan und auf die Türkei zu lenken. Ich holte es immer wieder zurück nach Österreich.
Ein Koran in Taschenformat war außerdem mit im Gepäck, die Stellen über die „Verhüllung der Frau“ penibel herausgepickt und markiert. Interpretieren sollten wir diese und erklären warum wir schließlich das Kopftuch tragen. Ich erklärte, dass muslimische Frauen nicht verpflichtet sind, ahnungslosen Menschen theologische Nachhilfestunden zu geben, dass muslimische Frauen ihre persönlichen Entscheidungen nicht andauernd rechtfertigen müssen.
Am Ende wurde von dem ganzen Interview zwischen der ganzen politischen und gesellschaftlichen Kritik, von den wahren Problemen muslimischer Frauen, von den Forderungen an feministische Bewegungen sich solidarisch zu zeigen, nur ein einziger Satz entnommen und veröffentlicht. Nur ein einziger Satz. Warum? Weil ich denke, dass wir als Interviewpartnerinnen nicht in das gewünschte stereotypisierte Bild der unmündigen, ungebildeten und fremdgesteuerten muslimischen Frau gepasst haben, das Menschen doch so gerne zur Primetime sehen möchten. Und weil mir außerdem bewusst ist, dass dieses klischeehafte Bild der muslimischen Frau nicht einhergeht mit einer emanzipierten, kritischen und reflektierten muslimischen Frau, von denen es immer mehr gibt.
Begüm Türktekin
MashaAllah und so recht hast du. Zwei mal habe ich das erlebt. Von allem guten was gesagt wirde blieben ein paar sätze. Von stunden drehmaterialn2 min…. es passt einfach nicht ins bild. Wir sind zu klug, zu selbstbewusst, zu selbstbestimmt, zu nett, zu offen…..
Auf die veröffentlichung eines zeitungsartikels warte ich noch. Aber bestimmt wieder zu positiv dass er im müll landet.