Vor etwa zwei Wochen bin ich am Abend mit dem Zug aus der Stadt aufs Land gefahren. Am Anfang war ich noch ganz alleine im Zug, doch dann stiegen ein paar junge Burschen in feinen Anzügen in meinen Wagon. Ich war gerade dabei, etwas zu lesen und fühlte mich anfänglich durch das laute Gelächter gestört. Zunächst wollte ich noch aufstehen, doch dann dachte ich mir: „Das sind Jugendliche. Es hat noch keinem geschadet, dass sie lebensfroh sind und hier und da laut miteinander werden. So what?“ Also blieb ich sitzen und dachte mir nichts weiter dabei.
Wenn ich aufgestanden und in den anderen Wagon gegangen wäre, wäre ich wohl noch bei dieser Meinung geblieben und hätte sie weiter als normale, gut gekleidete junge Männer betrachtet, die einfach miteinander auf einen Ball gehen wollen. Allerdings hielt diese Fahrt noch einige unangenehme Überraschungen für mich bereit.
Da sie sehr laut miteinander sprachen, war es unmöglich, nicht mit zu verfolgen, worüber sie sich unterhielten. So sehr ich auch versuchte mich auf mein Buch zu konzentrieren, so sehr irritierten mich die Gespräche meiner Sitznachbarn dann doch. „Ja sein Vater ist ein echter Stecher! Extrem viele Frauen hat er in letzter Zeit schon gehabt.“ Stolz unterhielten sie sich jetzt darüber, wie viele Frauen ihre Bekannten schon „flachgelegt“ hatten. Ihre Gespräche wurden dann immer obszöner und frauenfeindlicher.
Bald macht der Zug in einer Zwischenstation einer niederösterreichischen Stadt Halt. Es steigen zwei junge Mädchen in unseren Wagon. „T‘schuldigung,“ sagen sie zu den Burschen, während sie sich durch den engen Gang hindurchzwängen. „Bitte gerne.“ antwortet ihnen einer im freundlichen Ton. Fast könnte man meinen, es handle sich um wohlerzogene junge Männer. Aber nur fast.
Kaum fährt der Zug weiter, werden sie wieder lauter: „Urbans Mutter ist HOMOSEXUELL!“ schreien jetzt einige von ihnen, während andere ihnen antworten: „SCHWUL!“ „URBANS MUTTER IST HOMOSEXUELL“ – „SCHWUL!“ Wie bei einem Ping-Pong Spiel werfen sie sich nun homophobe Slogans zu. Es folgen ein paar „BITTE-BITTE-DANKE-DANKE!“ Schreie.
Dann bleibt der Zug erneut stehen. In dieser Station steigt nun eine weitere Gruppe, festlich gekleideter junger Männer im Alter von sechzehn bist achtzehn Jahren ein. Und auch sie gesellen sich in denselben Wagon. Unter ihnen sind auch zwei bis drei Mädchen in Ballkleidern.
Als sie an ihren Altersgenossen vorbei gehen, wird es im Zug jetzt noch lauter: „SERWAS IHR WAPPLER!“ Beide Gruppen sind jetzt wie ausgewechselt und der Betrachter kann nicht sagen, ob sie in Rage oder außer sich vor Freude sind.
Während die einen, die gerade eingestiegen sind, am anderen Ende des Wagons Platz nehmen, rufen ihnen die anderen bereits zu: „URBANS MUTTER IST HOMOSEXUELL!“ und gebetsmühlenartig schießt es von der anderen Richtung zurück: „SCHWUL!“ Das läuft noch eine Weile so weiter. Ein Mädchen, das mir mit ihrem Freund gegenüber sitzt, schaut um sich und sagt zu ihrem Begleiter: „Die sind so peinlich!“
Offensichtlich sind monotone Beschimpfungen „fad“ und deswegen ändert einer von ihnen den Slogan jetzt in „VAN DER BELLEN IST HOMOSEXUELL!“ um und schon folgt auch die Antwort von der anderen Seite: „SCHWUL!“
Der Jubel erreicht einen Höchststand und es geht weiter mit: „HOFER, HOFER, HOFER!“
Umgeben von mehr als zwanzig jungen Männern, die alle: „HOFER, HOFER, HOFER!“ schreien, fällt mir jetzt auf einmal wieder etwas auf. Das sind die Momente, in denen mich die Gesellschaft spüren lässt, dass ich sichtbar anders bin als die Mehrheitsbevölkerung. Ich kann euch sagen, dass euch als sichtbare muslimische Frau in derartiger Gesellschaft, nicht wohl sein wird.
Dann war ich schon so weit, zu erkennen, dass mein Erscheinungsbild möglicherweise den Stoff für die nächsten Beschimpfungen liefern wird. In dem Moment als ich islamfeindliche Sprüche erwarte, folgt etwas, das mich selbst überrascht: „SIEG HEIL, SIEG HEIL, SIEG HEIL!“ schallt es durch den ganzen Wagon.
Die Worte sind wie schwere Schläge, die mir jemand verpasst. Ich kann kaum glauben, dass das passiert. Mein Blick ist auf einen einzigen Buchstaben einer Seite geheftet, während mich dieses Stimmeninferno umhüllt.
Irgendwann höre ich, dass das Mädchen, das mir gegenüber sitzt wieder etwas zu ihrem Freund sagt, der offensichtlich versucht, sie zu beruhigen. Als ich aufblicke, sehe ich, dass sie in Tränen ausgebrochen ist und weint. Unsere Blicke treffen sich für einen kurzen Moment und ich verstehe: Das ist für sie genauso schrecklich, dass das gerade passiert.
– Autorin anonym
Ich bin ein Muslim und meine Meinung über die Zukunft in Wien ist. Für die Muslime gibt es sie nicht wirklich. 35% der Bevölkerung wollen uns deportieren usw. Diese Zahl wächst. bei 50% wird es alarmierend Zeit für jeden Muslim wegzulaufen. Deshalb sollten wir uns eine sichere Bleibe im Ausland sichern. Das sagt mein normaler Menschenverstand und Gefühl.