Mein zweiter Tag in Istanbul…

Mein zweiter Tag in Istanbul, es ist wundervoll einfach nur sein zu können. Während den letzten Wochen habe ich bemerkt, dass sich ein Gefühl der Unruhe auf mein Gemüt schlägt. Ich ertappe mich immer häufiger dabei auf der Hut zu sein, mein Alltag ist immer stärker davon geprägt, in Verteidigungshaltung zu gehen. Die immer häufiger werdenden Angriffe auf erkennbare Musliminnen, das Gefühl achtsam sein zu müssen, abends Angst zu haben alleine nach Hause zu gehen und sich genau diese Angst nicht einzugestehen, sie sich nicht anmerken zu lassen. Öfters einfach einmal: „Ach bitte ich schaff’s schon alleine nach Hause.“ zu sagen, obwohl einem der Satz: „Ja bitte, hol mich doch ab“ viel leichter über die Lippen gegangen wäre.

Die Absagen, die man sich zu Herzen nimmt, obwohl man sie vielleicht ohne Kopftuch genauso bekommen hätte. Sich auch darüber nicht allzu sehr zu beschweren, denn es könnte falsch verstanden werden. So als wäre man die immer über Diskriminierung jammernde Muslimin mit Kopftuch. All diese Normalitäten, die nicht normal für dich sind, weil du für manche nicht der Norm entsprichst. All dieses normale Sein.

Schon zwei Stunden nachdem mein Flieger in Istanbul gelandet war, spürte ich dass eine Art Last von meinen Schultern fiel. Es ist befreiend durch diese bezaubernde Stadt zu schlendern und zu wissen, dass man sich nicht zu rechtfertigen hat. Keiner wird mich fragen warum ich denn ein Kopftuch trage, warum denn erst jetzt und wieso nicht früher, ob meine Familie konservativ ist oder nicht. Keine indiskreten Fragen, durch die einfach meine Privatsphäre ignoriert wird. Bei Gesprächen bin ICH wichtig, ich als Person und nicht als kopftuchtragende Muslimin.

Ich genieße es als „normal“ wahrgenommen zu werden, in einer atemberaubend schönen Stadt. Und ich würde dies genauso genießen können, hätte ich kein Kopftuch. Das wiederum macht mich traurig. Sollte es in einem demokratischen Land wie Österreich nicht genauso so sein?

Begüm Türktekin
Istanbul, Oktober 2016

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