Heute meine liebe Schwester, spreche ich nur zu dir und nur für dich. Du, über die wieder so viel gesprochen wird, bist die, zu der ich spreche.
Dein Tuch ist dein leises Gebet, das dich begleitet, wenn du die Haustür hinter dir zumachst – bis du wieder zuhause bist. Dein Tuch ist für dich so alltäglich und gewöhnlich wie eine Brille, das du aber nicht vergessen kannst, weil sie dich ständig erinnern. Dein Tuch ist es, von dem sie regelrecht besessen sind. Aber du hast dich allen Schwierigkeiten zum Trotz für Gottes Gebot entschieden und dass es dir wichtiger ist als das Urteil oberflächlicher Menschen. Vielleicht würden es dir einige Schwestern gerne gleichtun. Sie können es nicht, trauen sich nicht oder werden möglicherweise daran gehindert. Andere Schwestern haben nicht vor, ein Kopftuch zu tragen und wir lieben sie, so wie sie sind. Und manche unserer Schwestern sind keine Musliminnen. Sie stehen aber mit dir für dein Recht und deine Freiheit ein; so wie du für ihre Rechte einstehst, so zu leben, wie es für richtig halten.
Vergiss diese lieben Menschen niemals, erinnere dich an sie, wenn du dich schlecht fühlst und wenn du das Gefühl hast, du hältst dieses Theater um ein Stück Stoff nicht mehr aus. In welcher Kleidung eine Frau aus dem Haus geht, ist ihre Entscheidung alleine.
Aber diejenigen, die dich wegen deines Tuches ablehnen, unterschätzen dich: Sie merken nicht, wie sie mit jeder ihrer Anstrengungen einen jeden deiner Schritte zum Gottesdienst und ein jedes deiner Worte zum Widerstand machen. Die, die dich unterdrücken wollen, machen dich erst Recht zu einer tapferen Freiheitskämpferin. Denke an die Worte deiner weisen Schwester bell hooks:
„Für Unterdrückte […] ist die Bewegung vom Schweigen hinein in die Rede eine Geste mutiger Aufsässigkeit. Sie ist eine Geste, die heilt, die neues Leben schafft und neues Wachstum ermöglicht. Dieser Akt des Sprechens, des „talking back“ [des Widerrede Leistens], ist nicht nur eine Geste der leeren Worte. Er ist Ausdruck unserer Bewegung vom Objekt zum Subjekt – die befreite Stimme.“ (hooks 1989 nach Kazeem/Schaffer 2012, 182f.)
Befreie deine Stimme und sei aufsässig gegen Unterdrückung! Lass dich nicht entmutigen! Sprich, auch wenn dich viele nicht hören wollen! Denn diejenigen, die dich kleinhalten wollen, werden dir nicht zuhören. Sie ertragen es nicht, also muss deine Wahrheit geleugnet werden. Das, was du sagst, ist eine Bloßstellung für sie. Wenn sie dir zuhörten, wirklich zuhörten, müssten sie mit der Schande leben, Unterdrücker zu sein. Und obwohl die Worte Freiheit und Demokratie auf ihren Zungen sind, sind sie nicht in ihren Gedanken. Sie wollen dich kleinhalten, indem sie dich verbal angreifen, in ihren Reden entmenschlichen und offen diskriminieren. Und wenn du körperlich angegriffen und attackiert wirst, sind sie schuld. Sie sind sie sich sehr wohl dessen bewusst, dass sie den Boden dafür bereiten.
Sie wollen dich als Opfer sehen. Nein! Genauer gesagt: zum Opfer machen. Doch wenn du sprichst, dann widersetzt du dich dieser passiven Rolle, die sie für dich vorgesehen haben. Wenn du sprichst, wächst du, schaffst du neues Wissen, heilst du deine Wunden! Du hältst ihnen den Spiegel vor. Doch sich selbst und ihre Doppelmoral darin zu sehen, ertragen sie nicht – also verbreiten sie weiter und lauter ihre Lügen über dich.
Bild Copyright: Shepard Fairey
großartig! 🙂